Nicht gewaltsam am Leben erhalten?
#1
Hallo...

Ich hoffe ich bin hier nicht falsch. Ich habe in den letzten Tagen überall nach Informationen und Austauschplattformen zum Thema Koma-Wachkoma gesucht und irgendwie "nur" dieses Forum gefunden.

Vor vier Tagen erlitt meine Mutter (52 Jahre, keine bekannten Vorerkrankungen) einen plötzlichen Herzinfarkt. Erst nach über einer Stunde Reanimation wurde sie "wiederbelebt" und gleich operiert, ein Stent gesetzt.

Kurz nach der OP kam ich auf der Intensivstation an, nur mit dem Wissen, dass sie einen Keislaufzusammenbruch hatte, und reanimiert und operiert werden musste. Da zu diesem Zeitpunkt der Kreislauf noch nicht stabil war und die Wahrscheinlichkeit, dass sie die nächsten Minuten nicht überlebt hoch war (worüber ich aber erst im Nachhinein informiert wurde), liess der Arzt mich und meine Schwester zu meiner Mutter.
Dieses Bild kann ich nur so beschreiben, dass sie zu dem Zeitpunkt tot war, obwohl sie warm war und beatmet wurde (oder selbst atmete?), die Haut war grünlich, der Mund durch die Reanimation völlig entstellt und irgendwie war da - auch wenn ich an sowas nicht glaube - keine Seele mehr - das empfand ich wirklich ganz deutlich so.
Die Chancen, dass sie die nächsten 48 Stunden überlebt waren zu dem Zeitpunkt 20/80.
Einen Tag später (nach einer Nacht in der ich nur von Zombies träumte) war meine Mutter stabil, und ich sah sie wieder. Zu dem Zeitpunkt hatten sie alle Medikamente, auch die Krampflöser abgesetzt für die neurologische Untersuchung. Anfangs begann meine Mutter die Augen zu öffnen, sie zeigte Mimiken (erst Verwirrung, dann Angst bis hin zur Panik, weinen, sogar mit Schluchzen und Tränen). Später erklärte uns der Arzt, dass dies die ersten Symptome der Krämpfe gewesen seein - und selbst wenn es wirklich Ausdruck ihrer Gefühlswelt war, so hatte sie ausschliesslich allerschlimmste Empfindungen. Alls die Medikamente weiter nachliessen wurden die Krämpfe schlimmer... es war ganz schrecklich, denn da sah sie wirklich aus und hat sich verhalten wie ein Zombie - wie möchte ich hier nicht näher ausführen. Nur so viel - am ersten Tag war das Bild eindeutig Tod, am zweiten eindeutig höchste Qual und Perversität.

Zur Zeit liegt sie einfach da - nichtssagend, als ob sie auf eine Entscheidung wartet. Sie ist ausser Lebensgefahr, wird aber hochkonzentriert beatmet und mit unendlich vielen Medikamenten vollgepumpt dafür.
Nun nach dem zweiten EEG, das wohl katastrophal ausgefallen ist hatten wir gestern ein Gespräch mit dem Arzt.
Es sieht wohl so aus, dass ihr Grosshirn abgestorben ist, da sind wohl gar keine Aktivitäten mehr messbar. Im günstigsten Fall, der aber auch extrem unwahrscheinlich ist, wird unsere Mutter ins Wachkoma fallen, ein Aufwachen bzw auch Wachkoma in dem Sinne, dass sie jemals Kontakt mit ihrer Umwelt aufnehmen könnte schliesst der Arzt aber komplett aus, weil eben so gut wie gar keine Hirnaktivität mehr vorhanden ist - nur noch minimalst.

Ich hab ja wie gesagt ganz viel gelesen, auch welche Chancen Menschen im Wachkoma haben, zu was sie fähig sind und grundsätzlich bin ich absolut dagegen für einen anderen Menschen die Entscheidung über Leben und Tod zu treffen. Aber ich bin auch für ein Recht auf Selbstbestimmung und dazu gehört ja auch, sie selbst entscheiden zu lassen ob sie sterben wollen oder eben nicht, und das ist unter dieser Intensivtherapie ja kaum möglich.
Der Arzt hat uns gestern vor die Wahl gestellt, ob weiterhin mit allen Mitteln therapiert werden (also z.B. wieder reanimiert, medikamentös behandelt, operiert usw) soll, wenn es zu einem Vorfall kommt und ich und meine Familie sind eigentlich dafür, dass wir gegen eine so intensive Therapie sind. D.h. nicht, dass wir sie verhungern, verdursten oder ersticken lassen werden, sie bekommt trotzdem alles was sie braucht, wird auch weiterhin beatmet, aber nicht mehr hochkonzentriert, nur mit Raumluft, bekommt hochdosierte Schmerzmittel, Beruhigungsmittel, Krampflöser weiterhin, klar.
Ich persönlich habe das Gefühl, dass meine Mutter schon gegen diese lange Reanimationszeit und anschliessende OP gewesen wäre, und ich empfinde schon dies als Zwang und Gewalt die meiner Mutter angetan wurde. Meine Mutter hat Krankenhäuser gehasst, früher war sie ganz klar gegen so Intensivmassnahmen - wie sie jetzt aber fühlt wissen wir ja gar nicht.
Aber ich persönlich empfinde es so, dass sie nur durch das Zurückfahren der Medikamente überhaupt die Chance erhält selbst zu entscheiden.
Es kann sein, auch wenn die Chance sehr gering ist, dass sie die ersten Tagen/Wochen überlebt, das erst die Zurücknahme der Beatmungsintensität der Anreiz für das Atemzentrum gibt selbstständig zu atmen, es kann sein, dass sich ihr Zustand trotzdem oder gerade deswegen bessert und dann können wir die Entscheidung auch wieder zurücknehmen.

Nur ist das alles so furchtbar kompliziert - egal aus welchem Gesichtswinkel ich es betrachte - alles ist falsch und in dem Fall die richtige Entscheidung zu treffen scheint unmöglich.

Nun möchte ich euch Betroffene fragen - wurdet ihr auch vor eine solche Entscheidung gestellt, wenn ja auch schon nach so extrem kurzer Zeit? Wie habt ihr das empfunden - wie habt ihr entschieden und warum?
Was ist eure Meinung dazu?

Liebe Grüsse
Eva
Antworten
#2
Sorry,
dass ich erst jetzt antwort - ich kämpfe immer noch damit das Leben meiner Mutter so angenehm wie möglich zu gestalten, meine Tochter (fast 4 Jahre)und meinen Mann nicht zu vernachlässigen und auch meinen Vater (auch wenn mit ihm in der Vergangenheit nicht immer alles super lief) nicht im Stich zulassen und meinen super verständnisvollen Chef im Job nicht zu enttäuschen.

Wir scheinen nicht nur den gleichen Namen zu haben sondern leider auch das gleich Schicksal.

Meine Mutter (58 Jahre) ist am 18.05. seit einem Jahr im Wachkoma. Sie wurde nach einem Sturz im Garten im Rettungswagen in das nicht einmal 5 Minuten entfernt Krankenhaus gebracht. Im Rettungswagen hat ein übereifriger Arzt ihr Medikamente gegeben und den ausgekugelten Ellenbogen eingerängt. Dabei ist es zum Herzstillstand gekommen und sie wurde 15 min. reanimiert. Die Aufzeichnungen der Ärzte sind sehr lückenhaft und statt in das nächste gelegene Krankehaus zu fahren, wurde sie dann noch 30 min durch die Gegend gefahren in ein angeblich spezialisierteres Krankenhaus.

Dort ging es mir wie Dir. Ich habe meine Mutter auch nicht wirklich erkannt. Sie war aufgequollen von der vielen Flüssigkeit. Die Ärzt meinten, dass es normal sei und sie nach der 24 h Kühlung (wegen der Reanimation) erst genauere Diagnosen abgeben können. Meine Mutter hat bis heute auch ohne Medikamente keine Krämpfe oder spastisch Anfälle. Zwar sind die normalen Fehlstellungen der Füße udn Hände zu beobachten, aber sie macht einen entspannten Eindruck.

Damals kam der Arzt auch gleich, wenn das seine Frau oder Mutter wäre, würde er keine lebensverlängernden Maßnahmen einleiten. Ich konnte nach 3 Tagen die gesamte Situation noch gar nicht gang begreifen. Ich entgegnete ihm nur, dass Menschen, die ihre Kinder verhungern und verdrusten lassen verurteilt werden und ins Gefängnis kommen und er empfielt es mir!!!

Ich wurde leicht wütend und hielt einen kleinen Vortrag über Menschlichkeit und wo wir mit der heutigen Intensivmedizin und der Selbstverwirklichung einiger Ärzte hingekommen sind.

Ich kann mir bis heute den Zustand meiner Mutter nicht genau erklären. Die Schwestern, die sie täglich betreuen sind der Meinung, die bekommt zeitweise sehr viel von ihrer Umwelt mit. D.h. sie hat ein Bewustsein. Ob sie mich erkennt - weiß ich nicht. Sie kann leider nicht reagieren oder Laute von sich geben. Sie schaut einfach nur mit großen Augen.

Mein Bruder setzt sich mit dem Schicksal meiner Mutter gar nicht auseinander - für ihn ist sie tot. Es hat sich völlig ausgekingt aus der Angelegenheit. Mein Vater hat die "Mosterbilder" - wie Du sie empfunden hast - sich schön getrunken und ist mal mehr mal weniger dem Alkohol zugetan. Meine Oma (82 Jahr) kommt nicht damit klar ihre Tochter da so liegen zu sehen und baut seit einem JAhr körperlich immer mehr ab.

Das schlimmste ist, dass durch ein Gutachten nunmehr feststeht, dass es ein Behandlungsfehler des Arztes im Rettungswagen war und meine Mutter noch die alte sein könnte, wenn es nicht diesen übereifrigen Arzt gegeben hätte, der nicht 5 Min. bis zum Krankenhaus waren konnte.

Für meine Mutter wird es noch ein lange Weg bis sie ihre Ruhe findet. Und den Arzt - der meiner Mutter und unserer Familie das angetan hat - werde ich niemehr zur Ruhe kommen lassen. Ich hoffe, dass die Deutschen Gericht sich mehr trauen, auch Ärzte zur Haftung bei Behandlungsfehlern heranzuziehen. Jeder Busfahrer in Deutschland, der einen Unfall verursacht bekommt eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung an den Passagieren usw.

Eva lass Dich nicht abschrecken von der Optik, im Herzen wirst Du Deine Mutter so in Erinnerung behalten wie sie früher war.

Auch kannst Du solange sie nicht nur von Maschinen am Leben erhalten wird nichts ändern, es sei den Du lässt sie verdursten, verhungern etc.

Das Schicksal hat es so gewollt, auch wenn weder unsere Mütter noch wir solch ein Leben hätten freiwillig führen wollen.

Laß Dich umarmen und sei gedrückt

LG eva:-)
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