ab wann ist es kein zufall mehr?
#1
hallo ihr lieben,

ich habe so viele fragen und eine stelle ich euch nun wieder. ab wann kann ich davon ausgehen, das holger ( mein mann) etwas wirklich "bewusst" tut. ich weiss nicht einzuschätzen, wann er etwas aus reflex, zufall und aus eigenen willen macht.
so neigt er oft, wenn ich ihn etwas frage, den kopf nach links. nicht immer aber meiner meinung nach wiederholbar.

wenn ich erst links von ihm stehe und mit ihm spreche und dann ohne vorankündigung auf die rechte seite gehe und mit ihm spreche, erschreckt er sich manchmal. (ich endschuldige mich natürlich und versuche das nicht zu wiederholen, denn ich möchte ihn ja nicht unnötig leid antun) heisst das er kann für sich einschätzen wo ich stehe?

heute tastete er mit der linken hand meine hand ab. nach einer weile gab ich ihm einen igelball in die hand und er bewegte wieder leicht seine finger. ich sagte dann zu ihm kannst du den ball hochheben? es passierte nichts, dann sagte ich versuch bitte den ball hoch zu heben und er machte die hand höher, so dass der ball keinen kontakt zum bauch hatte (er hatte die hand auf dem bauch liegen) ganz leicht nur. er legte die hand wieder ab. ich versuchte es wieder und nun hob er die hand an und drehte sie leicht, so das ich deutlich sehen konnte, das er den ball mit der hand hielt und keinen kontakt zu etwas anderen hatte. er hielt die hand eine ganze weile so und setzte sie dann wieder ab. ich lobte ihn viel, forderte ihn nicht noch mal auf die hand zu heben und er tat es die ganze zeit über nicht mehr. weder mit ball, noch ohne.
darf ich bei solchen dingen hoffen oder spielt mir die natur da einen streich und ich halte mich an strohhalmen fest, die es nicht gibt?
könnt ihr mir da weiterhelfen?
alles liebe beate
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#2
Liebe Beate,
wen du das Gefühl hast das dein Mann in irgendeiner Weise Reaktionen zeigt, sprich mit den Schwestern, die ihn ständig betreuen, vielleicht hatten sie den gleichen Eindruck, oder achten künftig auch auf solche Reaktionen.

Es ist auch nicht jeder Tag gleich, meine Mutter ist an manchen Tagen wacher, an andere nicht (denke/fühle ich). Der Arzt sagt, er kann keine eindeutigen Reaktionen von ihr feststellen. Die Schwestern haben mir auch gesagt, dass sie (meine Mutter) zwar keine regelmäßigen Reaktionen zeigt, jedoch mal wacher ist und mal nicht.

Die Schwestern und der Arzt gaben mir immer zu bedenken, dass wenn meine Mutter irgendwann gezielte Reaktionen macht, dass sicher ein langer langsamer Prozess für sie ist und man Geduld haben muss.

Wenn Du auf deine Gefühl hörst kann es nicht verkehrt sein. Ihr habt sicher schon viele Jahr miteinander verbracht, so dass deine Gefühle nicht ganz daneben hauen können.

Liebe Grüße
eva
Antworten
#3
Liebe Beate,

das hört sich gut an, was du beschreibst. Ich denke nicht, dass dies nur Reflexe oder gar Zufall ist (es gibt keine Zufälle,"Wenn der erste Zufall geschieht, ist die ganze Welt ein Chaos" weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, hat mir aber gefallen). Es ist durchaus möglich, oder sogar wahrscheinlich, dass dein Mann bewußte Reaktionen zeigt. Auf jeden Fall scheint er dich zu hören und kann offensichtlich sogar Aufforderungen umsetzen. Es ist noch viel zu früh, eine endgültige Prognose abzugeben. Das kann kein Arzt der Welt und es gibt keine Untersuchungsmethode, die genau ermitteln kann, was sich im Laufe der Zeit noch entwickeln kann.

Dein Mann hat eine traumatische Hirnschädigung (also durch äußerliche Gewalteinwirkung), da ist die Prognose, dass sich wieder etwas verbessert, viel besser als z. B. bei der Sauerstoffmangelhirnschädigung, bei der das Gehirn insgesamt diffus geschädigt ist.

Beim SHT (Schädel-Hirn-Trauma) gibt es, laienhaft erklärt, bisweilen auch Schutzmechanismen: das Gehirn schaltet sozusagen ab, um sich im bewußtlosen Zustand und ohne Außenreize von der Gewalteinwirkung langsam zu erholen. Langsam kommen dann viele (manchmal sogar alle) Funktionen zurück, bzw. werden wieder neu erlernt. Das kann aber Monate und Jahre dauern. Daher ist auch die dauerhafte Förderung auch nach der Rehaklinik so wichtig. Je nachdem wie stark die Verletzungen waren, bleiben aber leider oft dauerhafte Behinderungen zurück.

Also, nie die Hoffnung aufgeben, aber auch nicht zuviel Hoffnung haben. Und nicht verzweifeln, wenn es mal stockt. Es geht eben nur Schritt für Schritt. Und vorallem: vertrau dem, was du spürst und wahrnimmst. Du bist deinem Mann am nächsten, du entwickelst dich zur Spezialistin für deinen Mann.

Liebe Grüsse,
Ralf
Antworten
#4
hallo beate,
mensch, das hört sich ja sehr gut an.Ralf hat dir das Wesentliche schon dazu geschrieben.
Geh davon aus,dass er im Moment alles mitkriegt aber eben nicht entsprechend reagieren kann.Dazu kommt wie beschrieben diese Zeitverzögerung bei der Ausführung. Das ist bei Renate genauso. Es dauert,bis sie das gewünschte umsetzen kann und es kostet immens viel Kraft.Das Problem ist,dass die Umgebung die Geduld nicht aufbringt es zu erwarten.bei uns war das genau s o. Es dauerteoft bis zu 10Sekunden bis sie z.B.die gewünschte Bewegung ausführen konnte, da ist der Arzt schon im"nächsten Zimmer". Da hast du sicher beim Pflegepersonal mehr Glück.Die "kennen" ihn besser,weil sie intensiver mit ihm arbeiten,aber am besten kennst DU ihn.
Motiviere ihn mit allem "Vertrauten"...Düfte,Musik (Handyton z.B.)..wir hatten tolle Ergebnisse mit dem auf band aufgenommenen Wiehern von Renates Pferd-....noch im tiefsten Koma auf der ITs reagierte sie mit einem markanten Blutsdruckanstieg darauf.Erzähl ihm viel,baue immer Brücken von der vergangenheit in die Zukuft...z.B.Das hast du so gern getan, erinnerst du dich?...Dies und das brauchst du für ....
Er muss ein Ziel...immer den nächsten Schritt...vor augen geführt bekommen.Und erklär ihm immer alles mindestens 3 mal hintereinander.
Wenn du von ihm etwas bestimmtes willst, dann falte ihm die Hände....das bewirkt, dass er sich auf die Aufgabe die kommt konzentrieren kann und dann erklär es ihm, zeog es ihm auch immer vor, denn oft können sie es nur visuell aufnehmen.Mir hat das eine begleiterin von Reante gezeigt, die das alles selber durchmachte und mir eine Riesenhilfe dabei war.Sie verstand, was man wollte, wusste aber nicht wie es geht...das hört sich komisch an, aber z.B. sie bekjam eine Schere und sollte etwas schneiden.Sie wusste, dass es eine Schere war, dass man damit schneiden kann, aber sie wusste nicht wie sie das machen musste! oder auch beim gehen...sie wusste nicht wie das geht...oder wenn sie anfangs den Arm ausstrecken woillte und auf halbem _Weg steckenblieb und zu zittern anfing...sie hatte keine Spastik,auch genug Kraft, sie wusste den Weg nicht weiter. Da muss man den Arm nehmen und die bewegung immer wieder zu ende führen, bis es sich wieder automatisiert hat.Das kann oft unzählige Male dauern bis es "Klick"macht.
Ich habe Renate immer mit den Fingern "vorgezählt" 1,2,3,4,5,...und sie dabei ausgestreckt...plötzlich begann sie es nachzumachen und jetzt übt sie rechts schon toll und auf "Befehl"...und jetzt beginnt sie auch links.
Das geht immer schubweise. Oft scheint es, dass sich nichts mehr weiterbewegt,aber da "repariert"sie eben innerlich...und plötzlich ist wieder eine Etage da.Er kann ja auch auf seinen "Speicher" zurückgreifen,er hat das alles schon einemal gelernt und esist sozusagen im Gehirn ein Muster dafür gespeichert. man muss nur den Schlüssel zu dieser Lade finden...und das kann "alles" sein.
Ein Bekannter hat nach 3 jahren "Sprachlosigkeit" plötzlich während eines Gottesdienstes beim Vater unser mit dem Pfarrer mitgesungen und die ganze Messe mitgebetet.Er war früher Ministrant und sehr gläubig und das war eben dieser "Schlüssel"...zum richtigen Zeitpunkt.
Ein älterer Herr hat plötzlich beim Besuch seiner Gesangsvereinskollegen, die ihm ein Ständchen brachten mitgesungen,das hat die Blockade gelöst.
Entwickle die Vision, dass er ganz wiederhergestellt ist und arbeite darauf hin.Sei aber zufrieden mit dem Maximum,das ER erreichen kann.Das ist bei jedem verschieden.Und es gibt auch keine allgemeingültige Zeitvorgabe.
Aber ihr seind noch jung und seine verletzung ist durch ein trauma entstanden,wie Ralf schon sagte,das hat bessere Prognosen.Aber das Allerwichtigste ist,dass DU fest an seine Genesung glaubst und ihm das auch übermittelst,denn wenn er sich "aufgegeben" fühlt, dann wird er sich auch aufgeben.Es ist ein harter Weg,der von euch verlangt wird, aber er ist zu schaffen.Man ist ständig an der Belastungsgrenze.
Sehr aufschlussreich ist das Buch von Günther Mader,(öst.Skirennläufer)der sein "Comeback"nach einem schweren Schlaganfall eindrucksvoll beschreibt.Auch Clemens Kuby..."das Wunder der Heilung"
...und seine Erfahrung ist "Pflichtlektüre".
Liebe Beate, so furchtbar das jetzt noch für dich ist, es werden auch sehr schöne Momente dabei sein.Das Leben bekommt eine ganz neue Dimension und Wertigkeit und irgendwann wirst du auch dankbar für diese "Lernaufgabe" sein.
Liebe Grüße Hilde....die schon ein paar Kilometer weiter vor auf diesem Weg unterwegs ist.
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#5
vielen dank für eure antworten, sie machen mir ein wenig mut zu glauben, dass kleine schritte möglich sind und doch habe ich angst mich in etwas hineinzusteigern.
gestern konnte ich endlich mal einen ganzen tag bei meinem mann bleiben und wir haben den morgen gemeinsam begonnen, die schwester hat mir gezeigt, wie er gewaschen wird, wie sie dort ihn schon fördern und fördern. es tat gut in ruhe bei ihm zu sein und zu sehen was er macht. die therapeuten zeigten mir,wie er angesprochen und angefasst werden kann.
in der mittagszeit hatten wir dann eine stunde für uns. er hatte sein linkes auge zur hälfte geöffnet und ich hatte das gefühl er ist ruhig aber "da". ich hab meine hand in die nähe von seiner hand gelegt, so das sich unsere hände fast berühren, er mich spüren kann aber wir keinen klaren körperkontakt hatten. ich forderte ihn immer wieder auf, das er nach meiner hand greifen soll und strich ganz sanft über seinen kleinen finger, weil ich sorge hatte, das er mit richtungsanweisungen nichts anfangen kann.
es hat eine kleine ewigkeit gedauert und es war millimeter für millimeter, aber irgentwann hatte er es geschafft. ich dachte, das ich vielleicht ihn untersbewusst unterstützt hatte und ich doch meine hand in seine gelegt habe.
also löste ich meine hand wieder und erklärte ihm, das er es noch einmal versuchen muss, damit ich weiß das er kann. ich bekräftigte auch immer das ich furchtbar stolz bin und forderte ihn immer wieder auf, das er weiter machen soll und nicht aufgeben. und ich war mir sicher, meine hand nicht bewegt zu haben und er konnte nach wieder langer zeit meine hand halten. wir haben es noch zwei mal versucht und wieder war das ergebniss, dass wir unsere hände hielten.
ich bin sehr froh gwesen und doch traurig, weil es keiner gesehen hat.
heute war ich dann mit meiner langjährigen freundin bei ihm und ich positionierte mich ähnlich wie gestern, wobei ich heute darauf geachtet habe, das er den arm strecken muss, zum händchen halten. die therapeuten meinten ein beugen wird als reflex gewertet, wenn er auf eine anforderung reagiert soll es am besten ein strecken sein.
es dauerte eine ganze weile bis er "wach" war, es war schon relativ spät für ihn. aber er konnte sich berappeln und zeigte mir das er "da" ist.
ich massierte ihm ein wenig den arm, streckte mit ihm seine finger und nahm so kontakt zu ihm auf. dann fordert ich ihn wieder auf, wie gestern, nach meiner hand zu greifen. er war sehr angstrengt und erst ging sein arm in die beugung. es ist mir schwer gefallen ihn nicht zu unterstützen, denn ich hoffte das er es doch alleine schafft. und es hat lange gedauert, viel reden und geduld, aber er hat meine hand erreicht. auch öffnete er wieder sein linkes auge, nur wenig aber immerhin.
er hielt meine hand sehr fest, ich löste sie dennoch und wir wiederholten es noch mal.
und da war es dann, als er meine hand erreichte so, das er seine hand richtig zuschnappen lies. nun kann das alles ein greifreflex sein und ich bin wieder unsicher. aber während ich in unser tagebuch schrieb hielt er seine hand ganz ruhig, denn ich sagte ihm vorher, das ich loslassen müsse um meine notiezen zu machen. an seiner atmung konnte ich merken, das er sehr angestrengt war, manchmal machte er mundbewegungen bevor er die hand einen millimeter weiter bewegen konnte. manchmal drehte er die hand ein wenig und hielt inne.
bitte seit ehrlich, damit ich mich nicht verrenne, nur weil ich es mir so sehr wünsche, das da endlich etwas ist.
vielen dank für eure meinungen
alles liebe beate
Antworten
#6
hallo beate,

natürlich sind das dinge, auf die man aufbauen kann bzw muss. aber nicht jeder tag ist gleich, mal besser, mal schlechter. dies zu akzeptieren fällt uns angehörigen oft sehr schwer, da wir ja auch aus einer bestimmten erwartungshaltung bewerten.

du DARFST UND SOLLST HOFFNUNG haben bis zum letzten tag, dies fühlt dein mann sicher. und er wird alles dafür tuen wieder *aufzuwachen*, a er ja sicher noch viel vor hat in seinem leben. so ist es bei jedem unserer patienten, sie haben noch viel vor und dies kann man ihnen auch ruhig häppchenweise mitteilenSmile

LG
Patrick
Verzweifelter Sohn mit Hoffnung auf ein Wunder!
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