locked in syndrom
#1
Hallo Gaby, mikes mom,

du batest mich vor einigen Tagen per pn, etwas zum locked in syndrom zu schreiben.Das will ich gerne tun.

Das locked in syndrom sieht zwar zunächst aus wie ein Wachkoma, ist aber etwas grundsätzlich anderes. Beim locked in syndrom besteht eine komplette Tetraparese (also eine Lähmung aller Extremitäten und daraus resultierend eine komplette Unfähigkeit, sich zu bewegen) bei vollständig erhaltenem Bewußtsein. Ursache ist meist ein Stammhirninfarkt oder ein Infarkt im sog. Pons (das ist die "Brücke" zwischen Gehirn und Rückenmark. Die Nervenimpulse werden im Gehirn "produziert", können aber nicht an die ausführenden Muskeln weitergeleitet werden, weil die "Brücke" ( lat. pons) durch den Infarkt zerstört ist.

Oft können nur die Augen nach oben und unten bewegt werden, was leider auch oft nicht als willentlich interpretiert wird. Mit Augenbewegungen läßt sich mit diesen Patienten eine gute Kommunikation aufbauen (z. B. Ja: Augen nach oben, nein: Augen nach unten).

Manchmal wird das locked in syndrom überhaupt nicht erkannt und die Betroffenen durchleben die Hölle, weil niemand wahrnimmt, dass sie bei vollstem Bewußtsein sind ! Therapie der Ursache ist meist schwierig, pflegerisch ist die Versorgung natürlich genauso umfangreich wie beim Wachkoma.

Ausführliche weitere Infos gibts bei Wikipedia und auf diesen Internetseiten:

http://www.locked-in.de
http://www.locked-in-syndrom.org
http://www.schlaganfall-info/locked.htm
http://www.lockedinsyndrom.mynetcologne.de

Soviel zunächst. Ich wünsche dir und allen anderen Angehörigen hier weiterhin viel Kraft und Ausdauer für die schwere Aufgabe, die ihr übernommen habt.

Liebe Grüsse,
Ralf
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#2
Hallo Ralle !
Vielen vielen dank das du mir und auch den anderen das so kurz und verständlich rübergebracht hast,auch vielen Dank für die Links die wir uns jetzt in aller Ruhe Durchlesen können.
Ich habe an Dich noch eine Frage,wie würdest du folgenden Zustand eines Menschen mit Hypoxischem Hirnschaden sehn oder Interpretieren.

Mike soll laut Aussage der Freundin 5 minuten Gehangen haben.Als er dann aus dem Koma erwachte in das ihn die Ärzte der Intensivstation gelegt hatten,konnte ich mich ohne Schwierigkeiten mit Ihm über die Augen verständigen.Die erste Zeit in der Reha konnte Mike mit sehr viel Medikamente und Unterstützung Laufen,Dreirad fahren und auch stehen,Er führte fast jede Bewegung aus die man von Ihm verlangte,Er spielte sogar Playstation-Spiele,Ein Autorennen spielte er ohne irgendwo anzuecken.Es gab auch Phasen wo Mike abwesend schien,dann schlief er ein .Wenn er dann wach wurde,war er wieder voll da.Dann wurden die Medikamente von jetzt auf gleich abgesetzt da es zu grosse Nebenwirkungen gab .Mit der zeit wurde Mike Lustlos und Desinteressiert und sein Körper wollte dann garnichts mehr auf aufforderung machen.
Wir nahmen Ihn dann mit Nach Hause und es ging stück für stück aufwärts.Die Kommunikation verläuft über die Augen ,Rufen wenn niemand in sichtbarer nähe ist erfolgt über Kräftiges Husten ,Räuspern oder einen Laut den ich nicht beschreiben kann,mehr oder weniger hört sich es an wie ein krampfartiges,,,Chaa"(das ch hört sich an wie bei dem wort Ku,ch,en).
Er erkannte von Anfang an jede Person die vor dem Geschehen mit ihm zusammen war,es ist sogar so das er Freunde erkennt wenn sie auf der Strasse in unserer Nähe sind ,dann geht sein ganzer Körper aufgeregt nach vorn ,die Arme hoch und auch die Beine nimmt er von den Fussstützen am Rollstuhl um zu Bremsen,ich schau ihn dann immer an und versuche herrauszufinden was er gerade will,dann zeigt er mir mit den Augen die Gruppe Jugendlicher die in unserer nähe steht.Viele erkenne ich nicht ,aber wenn ich dann die Jugendlichen auf Mike aufmerksam mache und frage ob sie ihn kennen,sind sie zwar die erste Zeit erschrocken ,gehen aber dann zu Mike und Grüssen Ihn.
So haben wir dann sehr schnell bemerkt das Mike sein altes Umfeld allein erkennt.
Wie es aber Geistig bei Mike aussieht das wissen wir bis heut noch nicht,Wir Komunizieren zwar über Augen und Mimik,aber wir konnten auch feststellen das er ab und zu abdriftet für kurze zeit.
Mike kann nicht Reden ,nicht Schlucken,nicht Laufen ,die Arme gehen nach hinten wenn er Aufgeregt ist oder wenn man in Kopf nähe kommt,mit der rechten hand reibt er sich ständig das Gesicht wenn er Lacht oder Weint.Inzwischen haben wir es schon geschafft das er den Linken Arm wieder ein wenig bewegt oder auch nach vor auf den Bauch ablegt.

Jetzt nun meine Frage,wie würdest du die Situation Diagnostisch einschätzen ? Ich weis das es nicht einfach ist ,aber wen soll ich sonst fragen ,denn hier Interessiert sich niemand dafür.
Die Meinung der Ärzte ist ,Therapien wärend ausreichend und Medikamente müsste man testen ob er sie Verträgt.
Ich bin nach einigen Nebenwirkungen zu dem entschluss gekommen das wir ohne Medikament versuchen müssen Mike wieder auf die Beine zu bekommen,so einiges klappt schon ganz gut.

Wenn du noch fragen hast ,dann frage jeder Zeit,ich werde so gut ich kann es Überschaubar beantworten.

Es grüsst Dich Dankbar Mike,s Mom Gaby
Antworten
#3
Liebe Gaby,

will mal versuchen, meine Einschätzung zu deiner Beschreibung von Mike niederzuschreiben.

Es sieht ein Stück weit schon so aus, als ob Mike ein locked-in-syndrom hat. Insbesondere anfangs hat er ja wohl gut und anscheinend ohne mentale Einschränkungen reagiert. Aber auch die hypoxische Hirnschädigung (also Sauerstoffmangel im Gehirn) kann sich sehr sehr unterschiedlich auswirken und sehr diffus sein. Man muß sich das so vorstellen, dass das ganze Großhirn (also das Areal im Gehirn in dem die mentalen Fähigkeiten (sehen, hören, denken, sprechen, usw.) gesteuert werden, mehr oder weniger gestört ist. Und daher sejr unterschiedliche Störungsbilder bei den Betroffenen entstehen.

Bis hin zum sog. Wachkoma, einem Begriff, der nicht medizinisch ist, sondern der sich eingebürgert hat, weil er ganz gut beschreibt, wie es aussieht: wach, da Augen offen und Koma, da scheinbar keinerlei Reaktionen. Ich schreibe absichtlich "scheinbar", da es in aller Regel eben doch meist irgendeine Reaktion gibt, und wenn diese nur sehr gering ist.

Bei Mike denke ich doch eher an eine diffuse hypoxische Schädigung, die wohl mehr die motorischen Fähigkeiten geschädigt hat als die geistigen. Und das er nach Absetzen der Medikamente weniger reagierte kann man evtl. damit erklären, dass hirnfunktionsanregende Medikamente abgesetzt wurden.

Was auch sein kann (was wir in unserer Einrichtung zumindest öfter erleben) ist eine depressive Rückzugsreaktion des Betroffenen. Insbesondere wenn er sich seiner Situation bewußter wird und wahrnimmt, dass es nicht wirklich spürbar vorangeht mit ihm. Kann man ja auch gut nachvollziehen, wenn man mal darüber nachdenkt. Unser Neurologe gibt dann auch mal ein Antidepressivum, was oft gut hilft (aber oft halt aiuch eben nicht...). Es ist sowieso immer wichtig, auch die Psyche in die Betrachtungen mit einzubeziehen, also wie fühlt sich der Patient, und wie kann ich ihm sein Schicksal erleichtern. Sowieso sollte der Blick auf das Thema "Lebensqualität" gerichtet werden, und "Teilhabe am Leben" trotz schwerster Behinderung, dann kommen die Fortschritte schon von ganz alleine mit der Zeit. Und am allerwichtigsten ist das, was du ihm gibst, nämlich Liebe. Das ist was, was wir "Professionellen" nie geben können und auch nicht geben dürfen, sonst würden wir unseren Job nämlich nicht lange aushalten...Wir müssen liebevoll sein, aber für die Liebe ist die Familie zuständig !

Ich lese auch in dem anderen thread hier, dass du auf der Suche nach einem guten Neurologen bist. Mit Verlaub, Gaby, vergiß es. Alle Ärzte kochen auch nur mit Wasser, und bei unseren Betroffenen haben die wenigsten Ahnung. Und Schulmdeizin in diesem Bereich bedeutet ausprobieren von Medikamenten, hinschauen, ob ein Medikament wirkt und wieder absetzen, wenns nicht wirkt. Die Behandlung der Ursache, nämlich der hypoxischen Hirnschädigung, ist leider nicht möglich. Es ist eine irreversible Schädigung. Mehr geht da halt nicht. Und insbesondere im Langzeitbereich gibt es eben auch keine Erfahrungen. Man kann mittlerweile nur sagen, dass eben auch ein geschädigtes Hirn in der Lage ist, wieder neu zu lernen. Und wenn es noch relativ jung ist, dann lernt es eben ein wenig schneller und ein wenig besser. Hier hilft dann die kontinuierliche Förderung und Therapie und eben du mit deiner Liebe und Zuwendung und dem Gefühl, ihn auf seinem Weg zu unterstützen, zu begleiten, ihm Rückhalt zu geben und ihn nicht alleine zu lassen.

Du bist doch die Spezialistin für Mike geworden, du kennst ihn am besten. Und was du brauchst, ist ein Arzt, der bereit ist, sich mit dir zusammen in Mike einzufühlen und auzuprobieren, was evtl. helfen könnte. Oder zumindest bereit ist, entsprechende Rezepte zu schreiben. Aber erwarte nicht, einen Arzt zu finden, der die Ursache für Mikes Hirnschädigung wirklich behandeln kann. Den gibt es leider nicht.

Soweit mal für heute, frag ruhig nach, wenn nochwas unklar ist.

Liebe Grüsse,
Ralf
Antworten
#4
Hallo Gaby,
nochwas wichtiges, was ich vergssen habe eben zu schreiben: gib Mike (und auch dir selbst) ganz viel Zeit. Zeit neu zu lernen, neue Verknüpfungen im Gehirn aufzubauen und freue dich über die kleinsten Schritte. Denke in Monaten und Jahren. Aber vielleicht ist dir das schon längst klar.

Ich wünsch dir viel Kraft,
Ralf
Antworten
#5
Hallo Lieber Ralle !
Ich schreib dir morgen was dazu,denn heut ist es schon spät und die konzentration ist dann nicht mehr so gut,ein wenig abschalten wenn die familie schläft kann ich nur um diese späte zeit,und somit verbleibe ich bis morgen .

Es dankt und grüsst dich bis dahin Mike,s Mom Gaby
Antworten
#6
Lieber Ralle !
Ich finde jetzt erst die zeit dir zu Antworten.Ja es stimmt,ich wusste von anfang an das Mike seine hirnschädigung nicht wieder zu beheben ist.Ich sehe nun mal die Realität,aber man hat doch irgendwo den wunsch das man einen Arzt findet der sich noch ein wenig damit beschäftigt.Aber wie du schon geschrieben hast ,das kann ich wohl vergessen.Wir führen mit Mike ein Relativ entspanntes und auch aufregendes Leben,er wird in alles mit einbezogen.Wir versuchen so gut wie möglich den alten Lebensstandard mit allem drum und dran mit ihm zu erleben und durchzuführen .Klappt auch ganz gut ,mittlerweile ist es auch schon so ,das Mike seine Behinderung für uns mehr oder weniger schon zur normalität geworden ist .
Nur sind da noch seine brüder die immer darauf warten das alles so wird wie es mal war,gerade der Grosse hat damit extreme probleme.
Ich hoffe nur das er ,es eines Tages doch so annimmt wie es ist.Oft muss ich Überzeugungstechnisch viel rüberbringen.
Ich habe seit das passiert ist alte und neuere Bilder aufgehangen,so sehen sie jeden tag die Bilder und gewöhnen sich hoffentlich daran , das man in Mike seinem Fall die alte zeit nicht zurückholen kann.

Damit beende ich fürs erste unsere konversation und sicher werd ich noch fragen an dich haben ,aber für heute sei ganz Lieb gegrüsst von Mike,s Mom Gaby
Antworten
#7
Hallo,
wenn jemand von Euch noch Fragen zum Locked-In Syndrom hat, beantworte ich sie gerne. Mein Mann war Locked-In Patient.
LG Arnika
Antworten
#8
Liebe Arnika !
Natürlich habe ich dazu fragen ,aber ich werd erst morgen dazu kommen dir zu schreiben.Ich habe sehr viele fragen was das betrifft.

Bis morgen dann ,liebe grüsse von Mike,s Mom Gaby
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