Lebensrecht für Komapatienten / Bioethik-Konvention
#6
Folgende Meldung habe ich heute in der Ärztezeitung gefunden. Ich schäume über vor Wut. Bin mal gespannt was Ihr davon haltet :


Klinische Studien an Kindern - da zögern viele Politiker
Prüfung muß nicht mehr nur für den einzelnen jungen Patienten von Nutzen sein / Gesundheitsausschuß berät über das Arzneimittelgesetz
BERLIN. Arzneimittelstudien an Kindern - dieses Thema sorgt schnell für erhitzte Diskussionen. Denn mit klinischen Studien an nicht-einwilligungsfähigen Kindern wird ein Tabu berührt. Mit der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes, die heute abschließend im Gesundheitsausschuß des Bundestages beraten wird, werden enge Vorgaben für solche Studien formuliert.

Von Florian Staeck

Besonders umstritten dabei ist, daß eine Arzneimittelstudie mit dieser Patientengruppe künftig nicht zwingend dem betroffenen kranken Kind zu Gute kommen muß - die Studie soll - so heißt es im Gesetzesentwurf der Regierung - nur für die "Gruppe der Patienten, die an der gleichen Krankheit leidet wie die betroffene Person, mit einem direkten Nutzen verbunden sein". Dieser Passus zur Gruppennützigkeit in Paragraph 41 des Entwurfs dürfte in der heutigen Ausschußberatung des Bundestags für Diskussionen sorgen.

Kritiker fürchten, daß ethische Standards unterlaufen werden
Denn alle Akteure bewegen sich in einem ethischen Zwiespalt: Befürworter der Neuregelung beklagen den Mangel an Arzneimitteln, die für Kinder geeignet und an Kindern getestet wurden - mit den unvermeidlichen Risiken für die Patienten wie für die zumeist off-label-verordnenden Ärzte. Kritiker dagegen sehen in der Regelung einen Rückschritt hinter bislang als unverbrüchlich geglaubte ethische Standards, wie sie zum Beispiel im "Nürnberger Kodex" von 1947 formuliert sind.

Dieses Kommuniqué, das anläßlich der Nürnberger Ärzte-Prozesse verfaßt wurde, startet mit dem Satz: "Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich." Bei der Anhörung der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" zur AMG-Novelle Ende Januar sprach denn auch das Kommissariat der deutschen Bischöfe in seiner Stellungnahme "nicht nur von einer graduellen Erweiterung der Möglichkeit klinischer Prüfungen, sondern von einem Paradigmenwechsel". Die "grundlegenden Bedenken" der Bischöfe können auch dadurch nicht ausgeräumt werden, "wenn nur minimale Risiken und Belastungen für den Patienten zugelassen werden".

Die Enquete-Kommission, so die Mitglieder in einer gemeinsamen Stellungnahme, fürchtet, daß "der Begriff der Gruppennützigkeit in dieser allgemeinen Formulierung zu einer schleichenden Ausweitung der Forschungspraxis führen könnte".

Enquete macht sich für eng definierte Ausnahmen stark
Die Enquete schlägt stattdessen eine "eng definierte Ausnahmeregelung" vor, in dem die Möglichkeit der Arzneimittelprüfung an Kindern eingeräumt wird. Dabei, so die Berichterstatterin der SPD-Fraktion, Dr. Marlies Volkmer, soll verlangt werden, daß die Arzneimittel-Prüfung für das Kind mit "minimalen Risiken und minimalen Belastungen" einhergeht. Was darunter zu verstehen sei, solle beispielhaft im Gesetz dargelegt werden, fordert Volkmer.

Nachbesserungen am Regierungsentwurf fordert auch die Union. Werden Arzneimittelstudien "verblindet", um die wissenschaftliche Aussagefähigkeit zu kontrollieren, dann ist eine Gruppe von Patienten erforderlich, die nur Placebo erhält. "Wird künftig kranken Kindern, die nicht einwilligen können, bei Studien die erprobte Standardtherapie vorenthalten", fragt Hubert Hüppe, CDU-Parlamentarier und Vize-Vorsitzender der Enquete. Das Bundesgesundheitsministerium sieht an dieser Stelle keinen zusätzlichen Regelungsbedarf. Hüppe dagegen fordert Korrekturen an der Regierungsvorlage. Es gehe nicht an, daß eine solche Frage künftig in das "Ermessen einer Ethikkommission gestellt ist".

Änderungen zeichnen sich auch beim Arztvorbehalt ab. Bislang schreibt das Gesetz vor, daß der Leiter der Klinischen Prüfung (LKP) ein Arzt sein muß. Diese Vorgabe ist im Entwurf der Novelle, wie auch in entsprechenden Richtlinien der EU, nicht enthalten. Die SPD-Abgeordnete und Ärztin Dr. Marlies Volkmer will diese Vorschrift beibehalten. Es sei EU-rechtlich durchaus möglich, in Deutschland ein höheres Schutzniveau für die Probanden festzuschreiben, sagte Volkmer der "Ärzte Zeitung". Ebenso ihr SPD-Kollege Dr. Wolfgang Wodarg. Der Arzt argumentiert: "Das Risiko, das sich beim Verblinden einer Studie ergibt, sollte auch ärztlich verantwortet werden."

Ganz anderen Änderungsbedarf an der Regierungsvorlage hat hingegen die Deutsche Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin geltend gemacht. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder mahnen sie, die AMG-Novelle müsse auch den bürokratischen Aufwand bei Arzneistudien senken. So sollten zum Beispiel Prüfvorhaben nur noch durch eine Ethik-Kommission bei multizentrischen klinischen Prüfungen bewertet werden. Die "aufwendige" Einbeziehung lokaler Ethik-Kommissionen soll dagegen entfallen.

Dem widerspricht der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in einer Stellungnahme: Die Prüfarbeit der lokalen Ethik-Kommissionen dürfe nicht unterschätzt werden, heißt es dort. Die bisherige Praxis stelle keinen "Standortnachteil im wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Wettbewerb der forschenden Industrienationen dar", betont der Arbeitskreis. "Das Gegenteil ist der Fall."
Ärzte Zeitung, 10.03.2004

Empörte Grüße
Bettina
Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Vaclav Havel)
HP www.sedolin.de
Antworten


Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von GinomeGelati - 04.11.2003, 17:53
Lebensrecht/ Bioethik - von Penot - 07.11.2003, 09:10
RE: Lebensrecht/ Bioethik - von Sedolin - 07.11.2003, 13:15
Positiv oder negativ ? - von Sedolin - 17.12.2003, 01:57
Nun sind unsere Kids zu Karnickeln geworden - von Sedolin - 10.03.2004, 10:20
[Kein Betreff] - von ursel - 09.12.2007, 15:51

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste